Svetlana Aleksijevičs Bücher Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (1985) und Die letzten Zeugen (1985) gehören zu den erschütterndsten Zeugnissen des Zweiten Weltkriegs in Osteuropa a. Mit der darin ausgearbeiteten Methode der „chorischen Zeugenschaft“ setzte Aleksijevič eine vielstimmige Form der Dokumentarprosa fort, für die ihr Vorbild und Mentor Ales’ Adamovič bereits einige Jahre zuvor in den von ihm mitherausgegebenen Büchern Ja z vohnennaj vëski… [Ich bin aus einem Feuerdorf] (1975) und Das Blockadebuch (1979) wichtige Grundsteine gelegt hatte. Ersteres war das Ergebnis eines langjährigen Oral History-Projekts, für das Adamovič gemeinsam mit Janka Bryl’ und Uladzimir Kalesnik Ende der 1960er Jahre durch die versengten Landschaften von Belarus gereist war, Hunderte von Gesprächen mit Überlebenden der Kriegsverbrechen – verübt durch die Deutschen und ihre Helfershelfer – protokoliert und in einer vielstimmigen Collage literarisch verarbeitet hatte.
In meinem Vortrag stelle ich die Entwicklung belarussischen Literatur der ,,lebendigen Zeugenschaft” vor. Ich frage danach, welche poetologischen Prinzipien mit der ethisch-moralischen Intention, die ,,ganze Wahrheit” über den Krieg vielstimmig zu erzählen, verbunden sind und wie sich durch die Verbindung von fiktionalem und dokumentarischem Material die narrative Konstruktion der „authentischen Erfahrung“ verändert.
Nina Weller ist Literaturwissenschaftlerin und Slawistin. Derzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und forscht zu den Erinnerungskulturen in Belarus, Russland und der Ukraine. Sie ist Mit-Begründerin des Blogs Stimmen aus Belarus und Redaktionsmitglied von novinki.
Die Einladung zu dieser Veranstaltung finden Sie hier
Nina Weller studierte Russistik, Neuere Deutsche Literatur (zeitweise Osteuropawissenschaften) in Berlin und Moskau. 2003 schloss sie ihr Magisterstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Arbeit über die monströse Poetik in den Prosatexten Jurij Mamleevs ab. 2014 promovierte sie am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin mit einer Dissertation zu fiktionalen Lebensentwürfen der postsowjetischen Umbruchzeit im russischen Roman der 2000er Jahre. Neben der Promotion war Nina Weller als freie Lehrbeauftragte, Literaturagentin und Lektorin tätig. 2012-2014 erfolgten Tätigkeiten als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Drittmittelkoordinatorin am Osteuropainstitut der Freien Universität Berlin und der Universität Potsdam. 2015-2018 war sie als PostDoc an der Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien der LMU München. Seit Ende 2018 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) im BMBF-geförderten Projekt „Vergangenheit der Gegenwart. Geschichtsbilder, Erinnerung und Fiktion in den belarussischen, russischen und ukrainischen Kulturen“.
Ort: Dokumentationsstelle für ost- und mitteleuropäische Literatur
Spengergasse 30-32
1050 Wien
Tel.: +43 1 9419358
Anmeldung unter office@doml.at
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