Jonas Mekas, der Filmer und Dichter, 1922 in Litauen geboren, 1949 als Emigrant in New York gelandet, zählt zu den wesentlichen Persönlichkeiten des unabhängigen US-amerikanischen Films, dem er als Journalist und Kurator, als Gründer und langjähriger Leiter der Anthology Film Archives den Weg bereitet hat.
Sein eigenes filmisches Werk ist von beunruhigender Schönheit, besteht aus flüchtigen Momenten der Erinnerung, glimpses of beauty: Ton, kein Ton, Bild um Bild, Licht, Bewegung, Kino gleich Leben. „Jonas Mekas hat in seinen Hauptwerken den Film wirklich so personalisiert, wie auch Dziga Vertov, der sich selbst als ,Mann mit der Kamera‘ sah, es nicht vermocht hatte. In meinen Augen gebührt Jonas dieser Titel.“ (Peter Kubelka)
Jonas Mekas. Der Flaneur mit der Kamera
Redaktion: Christoph Gnädig, Christian Schulte
Mit Originalbeiträgen von Pip Chodorov, Christoph Gnädig, Cornelius Hell, Christian Hiller, Peter Kubelka sowie Texten von Jonas Mekas.
SYNEMA Publikationen Wien 2013.ISBN 978-3-901644-50-4. 36 Seiten, Farbfotos, € 7.-
Ein Textauszug aus unserer SYNEMA-Publikation:
Jonas Mekas: Notiz über die „Wackelkamera“
Ich habe sie so satt, diese Tugendwächter der Filmkunst, die den neuen Film-Machern immer wieder wacklige Kameraarbeit und schlechte Technik vorhalten. Ebenso werfen sie dem modernen Komponisten, dem modernen Bildhauer und dem modernen Maler Stümperei und ungenügende Technik vor. Ich bedaure diese Kritiker. Sie sind hoffnungslose Fälle. Ich ziehe es vor, vom Neuen zu künden. Majakovskij hat einmal gesagt, dass zu einem gewissen Areal des menschlichen Geistes nur die Poesie Zugang hat, und zwar Poesie die wach ist und zur Wandlung fähig. Auch könnte man sagen, dass ein gewisses Areal des menschlichen Geistes (oder Herzens) nur durch das Kino erreicht wird, und zwar durch ein Kino, das wach ist und zur Wandlung fähig. Nur ein solches Kino kann entdecken, beschreiben, uns bewusst machen und darauf hinweisen, was wir wirklich sind oder nicht sind, oder die wahre und sich wandelnde Schönheit der Welt, die uns umgibt, besingen. Nur diesem Kino ist eine Syntax und das richtige Vokabular eigen, Wahrheit und Schönheit auszudrücken. Wenn wir die moderne Film-Dichtung genau studieren, werden wir entdecken, dass selbst die Fehler, die unscharfen Aufnahmen, die verwackelten Einstellungen, die unsicheren Schritte, die zögernden Bewegungen und die über- oder unterbelichteten Stellen zu Elementen des neuen Filmvokabulars geworden sind, weil sie sich in die psychologische und visuelle Wirklichkeit des modernen Menschen einfügen.
„Notes on the New American Cinema“, erstmals veröffentlicht in: „Film Culture“, Nr. 24 / Frühjahr 1962. Übersetzt von Ralph Eue.