Retrospektive »Suche Arbeit, mache alles« – Armut, sozialer Abstieg und Arbeitslosigkeit im Film


Fotos aus den 1930er-Jahren – am Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise mit ihren Millionen Erwerbslosen – zeigen Frauen und Männer, die ein von Hand beschriftetes Schild halten, auf dem steht: »Habe Hunger, Suche Arbeit, Mache Alles«. Davon leitet sich der Titel dieser Retrospektive ab, die sich historisch wie aktuell mit den Geschichten von arbeitslosen Menschen auseinandersetzt.
Erzählt wird von Männern, die in einer sicher scheinenden Hierarchie von oben nach ganz unten schlittern, von Frauen, die als Filmemacherinnen das Elend ihrer Zeit in dokumentarischen Bildern festhalten. Der Blick kann auf einen optimistisch aufblitzenden SONNENSTRAHL aus dem Roten Wien fallen oder sich nach WIEDERAUFNAHME DER ARBEIT nach einem Streik zur epischen Meditation über drei Jahrzehnte französischer Alltagsgeschichte weiten. Eine Frau hat ZWEI TAGE und EINE NACHT Zeit, ihre ArbeitskollegInnen zu überzeugen, dass man sich nicht ins Schicksal fügen muss, wenn man solidarisch handelt. Das wussten auch schon die aus Berlin Delogierten der Zeltkolonie KUHLE WAMPE, die in Hanns Eislers »Vorwärts, und nicht vergessen« einstimmen. Es geht um den WERT DES MENSCHEN, der die Parole »Empört euch!« aufgreift, um MENSCHLICHE RESSOURCEN, die nach neoliberalem Konzept abgebaut werden sollen, um den MENSCH IN DER MASSE. Wenn die Papierfabrik in SCHLÖGLMÜHL schließt, zeitigt das ähnliche Folgen wie für die Langzeit-ARBEITSLOSEN VON MARIENTHAL, während eine im Waldviertel ÜBER DIE JAHRE gedrehte Langzeitstudie auch weniger deprimierende Aspekte zutage fördert. Der Kampf UM’S TÄGLICHE BROT im schlesischen Kohlerevier ist ebenso dramatisch wie der Hunger im Kalifornien der großen Depression, wo es nichts zu essen gibt, außer FRÜCHTE DES ZORNS. Dazwischen Jobcenter, Sozialamt, Schnellvermittlungsbörse für Tagelöhner in Newcastle, London, Rom oder Leipzig. Prekäre Lebensverhältnisse, gewiss. Aber oftmals blitzt auch Zivilcourage auf – und der Mut zur Veränderung. (Brigitte Mayr, Michael Omasta)

Eine Kooperation von SYNEMA – Gesellschaft für Film und Medien und dem Filmarchiv Austria.

KuratorInnen des Programms von 24 Filmen: Brigitte Mayr | Michael Omasta (beide SYNEMA)

Mit Einführungen vor den Filmen von Christian Cargnelli, Birgit Flos, Brigitte Mayr, Vrääth Öhner, Kerstin Parth, Sabine Perthold, Isabella Reicher, Ramón Reichert und Drehli Robnik

19. April bis 2. Mai 2018
im METRO Kinokulturhaus, Johannesgasse 4, 1010 Wien

SONNENSTRAHL (Ö 1933, Paul Fejos)
Do 19.4. 19:00 Eröffnung der Retrospektive
Der Vorhang im Kino öffnet sich. Wochenschauen künden auf der Leinwand von gesellschaftlichen Ereignissen und gefährlichen Zwischenfällen, von Arbeitslosigkeit weltweit – und damit sind wir bereits in Wien, anno 1933, bei einer Schlange Wartender, denen schließlich beschieden wird, dass ihre Arbeitssuche für heute erfolglos bleiben wird. Einer fasst daraufhin einen Entschluss: Er schreibt ein paar Zeilen, will sein Leben beenden, da springt eine junge Frau vor ihm ins kalte Wasser und der Mann hinterher. Die 50 Schilling, die ihm die Gemeinde danach für die Rettung ausbezahlt, werden zum Startkapital umgewertet. SONNENSTRAHL heißt der Film von Paul Fejos, der diese Geschichte erzählt. Eine lichte Sozialutopie, ein Märchen von der Solidarität in den modernen Städten, im Roten Wien.
Begrüßung: Ernst Kieninger (Filmarchiv Austria) und Christoph Klein (Arbeiterkammer Wien)
Einführung: Brigitte Mayr (SYNEMA)
[Wiederholung Sa 28.4. 18:00]

RVANYE BASHMAKI / ZERRISSENE STIEFELCHEN (SU 1933, Margarita Barskaya / W. Jegorow)
Fr 20.4. 18:00 | So 29.4. 20:00
Mit einer Einführung am 20.4. von Brigitte Mayr

RESSOURCES HUMAINES / DER JOBKILLER (F 1999, Laurent Cantet)
Sa 21.4. 18:45
Mit einer Einführung von Isabella Reicher

I, DANIEL BLAKE (GB/F/B 2016, Ken Loach)
Sa 21.4. 21:00 | Fr 27.4. 18:00
Mit einer Einführung am 21.4. von Sabine Perthold

KUHLE WAMPE ODER WEM GEHÖRT DIE WELT (D 1932, Slatan Dudow)
Vorfilm: ERWERBSLOSE KOCHEN FÜR ERWERBSLOSE (D 1932, Ella Bergmann-Michel)
So 22.4. 19:00 | Sa 28.4. 20:00
Mit einer Einführung am 22.4. von Brigitte Mayr

DEUX JOURS, UNE NUIT / ZWEI TAGE, EINE NACHT (B/I/F 2014, Jean Pierre und Luc Dardenne)
So 22.4. 21:00 | Mo 30.4. 20:00
Mit einer Einführung am 22.4. von Kerstin Parth

1 Programm – 3 Filme:
THE MASS OF MEN (GB 2012, Gabriel Gauchet)
TAGELÖHNER SYNDROM (D 2015, Rita Bakacs)
NEZAPOSLENI LJUDI / DIE ARBEITSLOSEN (YU 1968, Zelimir Zilnik)
Mo 23.4. 18:00
Mit einer Einführung von Brigitte Mayr

MARIENTHAL 1930–1980 (Ö 1980, Gruppe SYNC)
Mo 23.4. 20:00
Mit einer Einführung von Birgit Flos

JENSEITS DER STRASSE (D 1929, Leo Mittler / Albrecht Viktor Blum)
Di 24.4. 18:00

LA LOI DU MARCHÉ / DER WERT DES MENSCHEN (F 2015, Stéphane Brizé)
Mi 25.4. 19:00 | Mi 2.5. 18:00
Mit einer Einführung am 25.4. von Ramón Reichert

LOHNBUCHHALTER KREMKE (D 1930, Marie Harder)
Vorfilm: UM’S TÄGLICHE BROT – HUNGER IN WALDENBURG (D 1929, Piel Jutzi)
Mi 25.4. 21:00
Mit einer Einführung von Brigitte Mayr
Live-Musikbegleitung von Benedikt Vecsei

REPRISE / WIEDERAUFNAHME (F 1996, Hervé le Roux)
Do 26.4. 19:00

THE CROWD / EIN MENSCH IN DER MASSE (USA 1928, King Vidor)
Fr 27.4. 20:15
Mit Live-Musikbegleitung von Florian C. Reithner

ROMA ORE 11 / ES GESCHAH PUNKT 11 (I/F 1952, Giuseppe De Santis)
Sa 28.4. 21:00 | Mi 2.5. 18:45

DER LETZTE MANN (D 1924, F. W. Murnau)
So 29.4. 19:00
Mit einer Einführung von Brigitte Mayr
Live-Musikbegleitung von Gerhard Gruber

THE GRAPES OF WRATH / FRÜCHTE DES ZORNS (USA 1940, John Ford)
So 29.4. 21:00
Mit einer Einführung von Christian Cargnelli

POSTADRESSE: 2640 SCHLÖGLMÜHL (Ö 1990, Egon Humer)
Mo 30.4. 19:00
Mit einer Einführung von Vrääth Öhner

KEHREIN, KEHRAUS (D 1997, Gerd Kroske)
Mo 30.4. 21:00

ÜBER DIE JAHRE (Ö 2015, Nikolaus Geyrhalter)
Di 1.5. 19:00

HEROES FOR SALE (USA 1933, William A. Wellman)
Mi 2.5. 21:00
Mit einer Einführung von Drehli Robnik

Zum Vertiefen in die Inhalte der Filme nehmen Sie sich etwas Zeit und besuchen Sie für ausführliche Informationen und Texte zur gesamten Schau die Website: https://www.filmarchiv.at/program/retrospective/suche-arbeit-mache-alles/