Do, 25.05.2023, 19.00 Uhr.
Lydia Steinbachers Wolgaland, vielleicht ein Herkunftsbuch: Alexandr, in fortgeschrittenem Alter, die Hauptfigur des Romans, gehört der wolgadeutschen Volksgruppe an, schon lange gelandet und heimisch und immer noch fremd zugleich ist er in einem niederösterreichischen Ort. Lana, Tierärztin, in ihren 40ern, kellnert aushilfsweise im Dorfgasthof, sich ihrer Anziehungskraft bewusst. Sie ist Alexandr freundschaftlich verbunden, ihrem Sohn, der in Frankreich bei seinem Vater lebt, entfremdet. Um die beiden entfaltet sich ein das Dorfleben darstellendes Figurenensemble, in dem »bleibt nichts, wie es war. Die jüngeren Figuren zerbrechen an den Zwängen ihrer Herkunftsfamilien oder befinden sich noch auf der Suche nach sich selbst und den eigenen Neigungen und Interessen«, schreibt Jelena Dabic in ihrer Rezension, und, »Wolgaland präsentiert ein hochinteressantes Geflecht von sehr unterschiedlichen Figuren, deren Alltagsleben in dem kleinen Ort scheinbar etwas Bodenständiges hat; ihre geographischen Ausläufer bis nach Sibirien und Südfrankreich lassen sie allerdings alles andere als provinziell wirken.«
In Mieze Medusas aktuellem Roman Was über Frauen geredet wird, geht es um Lebensentwürfe, die Frauen selbstbestimmt verwirklichen, möglichst ohne sich darum zu scheren, wie darüber gesprochen wird. Auch dieses Buch mag in gewisser Weise ein Herkunftsbuch sein, geht es doch unter anderem um strukturelle Gegebenheiten, die schon in einem kleinen Land wie Österreich im Osten anders sind als im Westen; geht es doch um eine Art von »Herkunft« aus Rollenzuschreibungen, Geworfenheit ins Frausein. Die Figurenkonstellation mag dies abbilden, sie ist eine Spielanordnung, in der männlichen Figuren nur Nebenrollen zufallen. Das Buch sei, so die Autorin, das bisher am stärksten durch ihre Spoken-Word-Geschichte beeinflusst – und aus dieser Perspektive wird vielleicht darauf bezuggenommen werden. Bits aus dem Fundus und aus der Spoken-Word-Werkstatt dürfen erwartet werden.
Lydia Steinbacher studierte Deutsche Philologie, dissertierte über Das identitäts- und gedächtnisbildende Potenzial russlanddeutscher Literatur ab 1991. Bücher: Im Grunde sind wir sehr verschieden (Lyrik), Schalenmenschen (Erzählungen).
Mieze Medusa studierte Germanistik, gründete die Poetry-Slam-Szene in Österreich mit, rappt sehr erfolgreich (Longplayer mit Tenderboy u.a. Sparverein der Träume und Tauwetter), schreibt Erzählungen, Romane u.a., jüngst Was über Frauen geredet wird.
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