Einladung zu einer Reise – Germaine Dulac
Heide Schlüpmann | Karola Gramann
Germaine Dulac (1882–1942) drehte in den 1910er- und 1920er-Jahren über zwanzig Spielfilme. Gut die Hälfte ist erhalten. Die Filmgeschichte vermerkte die Regisseurin mit ihren kurzen, dem Surrealismus zugeschriebenen, avantgardistischen Arbeiten. In den 1930er-Jahren wandte sie sich unter dem Eindruck der politischen Entwicklung dem Dokumentarischen zu, unter anderem als Leiterin der Gaumont-Wochenschau.
Ihr Engagement für den Film ging allerdings weit über die Regie hinaus: sie schrieb, hielt Vorträge, wurde Sekretärin der Filmclubbewegung und setzte sich im Rahmen verschiedener Organisationen wie der Filmbildung, der internationalen Frauenbewegung oder der Arbeiterbewegung für den Film ein. Sie gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Cinémathèque Française und der FIAF, der Internationalen Föderation der Filmarchive.
Dulacs Filmarbeit war ebenso an der Entfaltung aller Möglichkeiten des Mediums Film interessiert, wie daran, die Aufgeschlossenheit des Publikum dafür zu fördern. Beides gehörte für sie in der Praxis zusammen. Theoretisch trat sie radikal für die „visuelle Idee“ des Films ein. Sie wurde eine Filmtheoretikerin von Rang. Ihre Filme entfalten eine Doppelbödigkeit, der Handlung unterliegt eine zweite Ebene des spürbaren Geschehens, die einmal mehr, einmal weniger die Oberhand und filmischen Ausdruck gewinnt. Eine Wirklichkeit erscheint, die unterhalb der gesellschaftlichen Rollen der Ehefrau, der Geliebten, des Bildes der modernen, emanzipierten Weiblichkeit und unterhalb des Selbstbewusstseins der Ehemänner und Liebhaber verortet ist. Träume, Seelenzustände, Stimmungen.
Die Kuratorinnen Karola Gramann und Heide Schlüpmann, die gemeinsam mit SYNEMA auch eine Broschüre zu GERMAINE DULAC herausgegeben haben – werden das Programm von 4. bis 12. Mai in Wien mit Einführungen begleiten