Vorträge der Steirischen Gesellschaft für Psychologie


Die Untersuchung kreativer Prozesse ist ein fester Bestandteil der Differentiellen Psychologie. Zurzeit wird zunehmend der Ruf lauter, kreative Verhaltensweisen in komplexen, ökologisch-validen Situationen wie dem Sport zu analysieren. Im Vortrag wird ein Forschungsprogramm vorgestellt, das den Fokus auf visuelle Aufmerksamkeitsleistungen (Inattentional Blindness (IB), Aufmerksamkeitsbreite) legt, die hinter dem Zustandekommen von divergenten Leistungen in komplexen Situationen liegen könnten.
Das IB-Paradigma („Blindheit durch Unaufmerksamkeit“) bietet sich geradezu idealtypisch für das Analysieren von kreativen Prozessen an, da Aufmerksamkeitsleistungen mit dem Erkennen von unerwarteten Objekten verbunden sind. In eigenen Studien konnte zunächst nachgewiesen werden, dass IB einerseits keine perzeptive Invariante darstellt, sondern durch Erfahrung beeinflussbar ist, andererseits auch Alterseffekte berücksichtigt werden müssen (vgl. Memmert, 2006a). In einer Reihe weiterer Experimente wurden sportartspezifische Aufgabenstellungen konstruiert, die belegen, dass a) in komplexeren, sportspielspezifischen Situationen offensichtlich völlig freistehende Mitspieler nicht in die taktische Entscheidungsfindung mit eingebunden werden, b) Vorab-Informationen einen positiven oder negativen Einfluss auf die Wahrnehmung freier Mitspieler haben, und c) exogene Stimuli aus der Umwelt eine Rolle spielen (vgl. Memmert & Furley, 2007).
Eine Trainingsstudie legt nahe, dass Schulungskonzepte, die eine unterschiedliche Akzentuierung auf Instruktionen legen, direkte Effekte auf die Entwicklung kreativer Denkfähigkeiten haben (Memmert, 2007). Wie wichtig Aufmerksamkeitsleistungen für die Entstehung von kreativen Prozessen ist, hat eine Folgestudie mit hochbegabten Kindern (IQ>130) gezeigt (vgl. Memmert, 2006b). Alle angeführten Ergebnisse werden abschließend im Lichte aktueller neuropsychologischer Theorien, sowie praktischer Implikationen diskutiert.