Dass wir heute zahlreiche sichere Verhütungsmittel zur Verfügung haben, verdanken wir auch dem Kärntner Arzt Hermann Knaus (1892-1970). 1928 konnte er anlässlich eines Kongressbesuches in Berlin die kräftigen Bewegungen der menschlichen Gebärmutter unter dem Röntgenschirm beobachten, wogegen die Muskulatur zu anderen Zeiten sehr schlaff und träge war. Er erkannte, dass es auch beim Menschen zu einem entspannenden und erschlaffenden Einfluss des Gelbkörpers auf die Muskulatur der Gebärmutter kommt, und zwar beginnend etwa 12 Tage vor der nächsten Menstruation. Auf dieser Beobachtung aufbauend, fand er heraus, welche Tage im weiblichen Monatszyklus fruchtbar und welche unfruchtbar sind und wie sie sich berechnen lassen. Bis dahin war Verhütung ein reines Glücksspiel gewesen.
Dank Knaus konnten sich Frauen/Paare endlich aus dem ‚Gebärzwang’ befreien, der ihnen durch die Natur gegeben war: 15 Schwangerschaften pro Frauenleben seien ‚natürlich’, bzw. ‚naturgewollt’, hieß es damals noch. Sein revolutionäres Verdienst war die Trennung von Sex und Fortpflanzung. Sein ‚Tagezählen’ war aber auch zur Behandlung ungewollt kinderloser Ehen sowohl auf natürlichem als auch auf künstlichem Weg erfolgreich, bildete die wissenschaftliche Basis für Vaterschaftsbestimmungen und lieferte wichtige physiologische Grundlagen für die Entwicklung der Pille. Für seine Verdienste wurde Knaus 1936 für den Nobelpreis vorgeschlagen.
Er leitete von 1934 bis 1945 die große Frauenklinik an der Deutschen Universität in Prag und war von 1950 bis 1960 Primarius am Krankenhaus Wien-Lainz. Er leistete nicht nur als Forscher sondern auch als Gynäkologe und Geburtshelfer, Operateur (vor allem Gebärmutterhalskrebs), akademischer Lehrer sowie Ausbildner des medizinischen Nachwuchses wesentliche Beiträge für sein Fach.
Susanne Krejsa MacManus und Christian Fiala berichten, wie Hermann Knaus zu seinen Entdeckungen und Erkenntnissen kam, wie die ärztliche Kollegenschaft auf seine wissenschaftliche Revolution reagierte, was die katholische Kirche davon hielt, warum die Nazis den unangepassten Forscher abwechselnd förderten und loszuwerden suchten und welche Rolle der japanische Kollege Ogino spielte.
Die Autoren untersuchen, welche seiner wissenschaftlichen Beobachtungen bis heute Bestand haben und in welchen Bereichen der einstige Pionier von seinen eigenen Schülern überholt wurde. Vergleiche mit Ignaz Semmelweis und Louis Pasteur zeigen Muster von Akzeptanz bzw. Ablehnung auf, die für die Rezeption von Knaus’ Leistungen relevant sind.
Hermann Knaus: „Detektiv“ der fruchtbaren Tage
18.01.2018 18:00 - 19:00
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