»Der Tod eines Einzelnen ist eine Tragödie«, sagte Stalin, »aber der Tod von Millionen nur eine
Statistik«. Das Geheimnis des Zaubers und der Größe der Literatur liegt darin, dass sie für uns immer
wieder die Tragödie des Einzelnen aus der Statistik der Millionen befreit. Des Einzelnen, von dem
eine Geschichte handelt, und des Einzelnen, der diese Geschichte liest.
David Grossmann
Bei dieser Tagung soll die reiche Tradition gewalt- und kriegskritischer Literatur aus Österreich
nach 1945 dargestellt und mit aktuellen internationalen Erfahrungen kontrastiert werden. Eine
Hintergrundfolie bilden dabei die Erfahrungen des Ersten und Zweiten Weltkriegs, die bei
Motiv- und Traditionsvergleichen angesprochen wird. Hauptsächlich jedoch soll untersucht
werden, wie Literat/innen auf gegenwärtige Kriege, Konflikte und Bedrohungsszenarien
künstlerisch reagieren.
Immer wieder wird man dabei auf die klassischen Grundfragen stoßen:
– Kann Literatur politische Wirkung entfalten, wie vermittelt und indirekt auch immer? Oder ist
die Sensbilisierung des einzelnen Menschen, die Literatur unbestritten erreicht, politisch
bedeutungslos?
– Soll Literatur „politisch tätig“ sein? Wenn ja, verrät sie dann nicht ihren ästhetischen Anspruch?
Wenn nein, verrät sie dann nicht ihre moralische Kraft? Was bedeutet „pazifistische“ oder
gewaltkritische Literatur im politisch-kulturellen Kontext einer Gesellschaft? Und noch konkreter:
– Kann es eine literarische Gestaltung des Friedens, oder einer „Kultur des Friedens“ geben,
die nicht kitschig ist? Oder ist nur eine „negative Ästhetik“, eine Kritik der Gewalt, möglich?
Und weiters ist zu fragen:
– Wie lässt sich der Zusammenhang von organisierter gesellschaftlicher Gewalt (Diktatur,
Bürgerkrieg, Krieg) mit spontaneren Formen von Gewalt (Kriminalität, Gewaltkultur usw.)
vorstellen? Oder, mit Christa Wolf, gefragt: Wann beginnt der Vorkrieg?
– Welche literarischen (oder filmischen) Gattungen eignen sich besonders für welche Ästhetiken
bzw. politischen Darstellungen?
– Welche historischen Vorbilder, welches ästhetisches „Arsenal“ wird benutzt, woraus kann
aufgebaut werden, wovon grenzt man sich ab?
– Welche neuen (oft hybriden) Formen künstlerischen Ausdrucks machen sich bemerkbar und
welche Wirkungen können sie entfalten?
“Die Erde will keinen Rauchpilz tragen” Krieg und Frieden in der Literatur
31.10.2010 08:30 - 02.11.2010 12:00
| Bildungshaus St. Hippolyt, 3100 St. Pölten, Eybnerstr. 5
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