Aristoteles hat wie kaum ein anderer Denker die Wissenschaften über zweitausend Jahre geformt. Am Ende des 16. Jahrhunderts galt er als unbestrittene Autorität, die aber für den Fortschritt besonders in den Naturwissenschaften zum ernstlichen Hindernis geworden war (Betrand Russel). Eine weitere Entwicklung war nur in Konfrontation mit der aristotelischen Lehre möglich.
In diesem Referat sollen die wissenschaftlichen Methode in den biologischen Schriften des Aristoteles und ihre Limitationen für den weiteren Fortschritt, wie er durch die Neoteriker herbeigeführt wurde, aufgezeigt werden. Der Stagirit hat über biologische Probleme mehr als über alle anderen Aspekte geschrieben. Seine wissenschaftlich Methode ist im ersten Buch von De Paritibus Animalium und Historia Animalium ausführlich beschrieben und zeichnet sich durch die dominante Rolle teleologischer Argumentationslinien und dem Suchen nach der causa finalis aus. Durch die Betonung dieser beiden Aspekte seiner wissenschaftlichen Methode – „die Form sei wichtiger als die materielle Ursache“ – war das aristotelische Weltbild erstarrt, eine weiter Entwicklung nicht mehr möglich. Die Diskussionen an den konser-vativen Universtäten Europas, allen voran Paris, erschöpften sich in fruchtlosen ontologischen Debatten.
Der Bruch mit Aristoteles und damit die Möglichkeit einer weiteren erfolgreichen wissenschaftlichen Entwicklung wurde an der Wende des 16. zum 17. Jahrhunderts in Padua durch Naturphilosophen wie Giacomo Zabarella, Cesare Cremonini und Galileo Galilei herbei-geführt, indem sie der Induktion und damit auch dem Experiment gegenüber der Deduktion den Vorzug gaben. Galilei führt zudem die so bedeutende Quantifizierung in die wissenschaftliche Methode ein, die Aristoteles strikt abgelehnt hat. In England war es der Lordkanzler Francis Bacon, der offen die Abwendung von der Untersuchung der Finalursachen aufrief und das Experiment in den Mittelpunkt wissenschaftlichen Forschens stellte. In der Biologie war es William Harvey, der erstmal diese Prinzipien erfolgreich angewandt hat.
Durch die damit einsetzende intensivere Untersuchung materieller Aspekte der Natur, traten die Überlegungen der antiken Atomisten wieder in das Interesse der Forscher und sollten den ungeahnten Aufstieg der modernen Naturwissenschaften begründen.
Die aristotelische Naturphilosophie und ihre Krise in der frühen Neuzeit
01.12.2017 18:00 - 19:30
| Archiv der Universität Wien, Postgasse 9, 1010 Wien
Kontakt: office@wissenschaftsgeschichte.ac.at