Petition für den weiteren Einsatz von kontrollierten Tierexperimenten in der biomedizinischen Forschung

Sehr geehrte Mitglieder der Österreichischen Bundesregierung!
Sehr geehrte Abgeordnete zum Europäischen Parlament und zum Österreichischen Nationalrat!

Mit diesem Brief bitten wir Sie, den weiteren Einsatz von Tierexperimenten in der biomedizinischen Forschung zu unterstützen. Aktueller Anlass ist eine Petition an das Europäische Parlament zur Abschaffung von Tierversuchen (http://ec.europa.eu/citizens-initiative/public/initiatives/finalised/submitted), die in nächster Zeit behandelt werden soll. Eine Befürwortung hätte katastrophale Folgen für die Forschung in Europa, die Krankenversorgung und auch die Volkswirtschaft.

Ein jüngst mit Hilfe von Tierexperimenten erreichter dramatischer Fortschritt betrifft etwa den schwarzen Hautkrebs (malignes Melanom). Noch vor zwei Jahren lag das durchschnittliche Überleben dieser Erkrankung Im Endstadium IV bei wenigen Monaten; eine wirksame Therapie gab es nicht. Im Jahr 2013 wurde in mehreren Studien eine zuvor intensiv in Mäusen getestete Immuntherapie publiziert, die im Stadium IV Tumorreduktionen um 80 % bewirkt. Viele Patienten haben die Krankheit bis heute überlebt. Die Reagenzien sind verfügbar, so dass Ärzte auch hierzulande von einem sensationellen Durchbruch sprechen. Auch bei anderen Krebsformen, z.B. Leukämien, haben immunologische Therapieformen zu erheblich verbesserten Überlebenschancen geführt. Entsprechend wählte das renommierte Wissenschafts-Journal „Science“ die Krebs-Immuntherapie zum Durchbruch des Jahres 2013.

Von entscheidender Bedeutung ist die Tatsache, dass alle hier genannten Therapien ohne vorherige jahrelange tierexperimentelle Forschung nicht entwickelt worden wären. Am Beispiel des Melanoms lässt sich dies auch dem Laien einfach aufzeigen. Von der Identifizierung der beteiligten Moleküle, über deren Beeinflussung durch Antikörper, bis hin zur Therapie von menschlichen Tumoren mit Hilfe dieser Antikörper, ging die Studie an Mäusen derjenigen am Menschen jeweils um Jahre voraus (siehe beiliegende Präsentation). Da die beteiligten Moleküle auf vielen Zellen vorhanden sind, wäre es absolut sträflich und unethisch gewesen, die Antikörper beim Menschen ohne vorherigen Tierversuch anzuwenden. Andernfalls wären völlig andere Effekte einschließlich einer Verschlimmerung der Krankheit möglich gewesen. Betrachtet man die gesamte Breite erfolgreicher Medikamente in der Krebstherapie, so ist die überwiegende Mehrzahl an Tierversuchen auf den Menschen übertragbar. Gemäß einem aktuellen Übersichtsartikel über 69 verschiedene Medikamente (Trends Immunol Vol 36, No. 4; 2015) sind alle Therapeutika zuvor bei Tumoren von Mäusen erfolgreich getestet worden.

Trotz der genannten Fortschritte sterben beispielsweise an Krebs bekanntermaßen immer noch viele Patientinnen und Patienten einen schrecklichen Tod und weitere Studien sind dringend erforderlich. Diese Notwendigkeit steht aber in unmittelbarem Gegensatz zur Sicht in der Öffentlichkeit. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Bekenntnis zu Tierversuchen werden in eine moralische Schmuddelecke gestellt. Völlig überzogene, hochemotionale Plakate und Texte von Tierschützern, mit oder ohne dahinter stehender Organisation, brandmarken Wissenschaftler als Übeltäter bis hin zur Androhung von Gewalt. Dies, obwohl Wissenschaftler Tierexperimente nicht aus sadistischer Freude, sondern zum Wohl der Menschheit durchführen. Kein Wissenschaftler macht gerne einen Tierversuch oder tötet gar gerne ein Tier. Deshalb werden alle Tierversuche nach dem RRR Prinzip (Refine, Reduce, Replace) durchgeführt und es wird intensiv nach Methoden zur Reduktion und möglichst dem Ersatz von Tierversuchen geforscht. Wir haben aber noch viel zu wenig Verständnis über die molekularen Abläufe im menschlichen Körper, sodass es derzeit völlig unethisch und unzulässig ist, potentielle Therapeutika ohne Tierversuch im Menschen einzusetzen.

Den in Europa und insbesondere in Österreich hohen Standard für Tierexperimente und Tierhaltung in der biomedizinischen Forschung sollten wir als Vorbild für den globalen Einsatz nutzen: Jeder Tierversuch muss bewilligt werden. Dazu haben die Institutionen, wo Tierversuche durchgeführt werden, lokale Tierversuchskommissionen eingerichtet, die die Anträge auf Sinnhaftigkeit, Möglichkeiten von Alternativen, Umfang, Richtigkeit der Kontrollen, etc prüfen. Passiert der Antrag die lokale Kommission, wird er anschließend von der Tierversuchskommission des Bundes, der auch Mitglieder von Tierschutzorganisationen und Tierschutzombudsfrauen und Tierschutzombudsmänner angehören, noch einmal ausführlich geprüft. Erst nach Freigabe durch die Kommission des Bundes kann der Tierversuch durchgeführt werden. Darüber hinaus gibt es genaue Richtlinien, wie Tiere gehalten werden müssen. Außerdem muss jedeR MitarbeiterIn, die/der mit den Versuchstieren arbeitet, eine entsprechende Ausbildung absolvieren. Dieser Standard ist der Konsens und Mittelweg aus vielen Diskussionen der unterschiedlichen Interessengruppen. Wenn es jedoch zu einer unnötigen Verbürokratisierung des Antragsprozesses mit Nachweishürden, die von niemanden mehr nachvollziehbar und beurteilbar sind, kommt, werden Verzögerungen eingeleitet, die die biomedizinische akademische Forschung in Europa konkurrenztot machen und die Industrie noch mehr als bisher abwandert. Dann muss bewusst sein, dass unsere hohen Standards nicht globalumspannend werden, sondern die Tierversuche in Länder ausgelagert werden, die geringe oder kaum Richtlinien haben, und so unsere Errungenschaften zahnlos machen. Das nützt dann weder den Tieren noch unserer Forschung und Wirtschaft.

In diesem Sinn bitten wir Sie DRINGEND, die erwähnte Eingabe nicht passieren zu lassen. Bitte setzen Sie sich auch insgesamt für eine klarere Darstellung der Notwendigkeit von Tierversuchen in der Biomedizin in der Öffentlichkeit ein – nicht für uns, sondern zum Wohle unserer Gesellschaft. Völlig unbestritten ist, dass sich zunehmend mehr Fragen ohne Tierversuche lösen lassen. Die vielfältigen Interaktionen verschiedenster Zellen und Moleküle im Organismus sind dennoch zu komplex, als dass sie alleine durch Gewebekultur oder Computer-Modelle vorhersagbar sind. Auf absehbare Zeit wird es daher nicht möglich sein, Tierversuche zu ersetzen. Mit der Novellierung des Tierschutzgesetzes ist aber sichergestellt, dass jedes Experiment ausführlich begründet und erst nach ausführlicher Prüfung und Abwägung des zu erwartenden Nutzens durch unabhängige Kommissionen behördlich genehmigt werden muss. All dies erspart uns dennoch nicht die Notwendigkeit von Tierversuchen, die übrigens zum größten Teil in Mäusen und nicht etwa in größeren Säugetieren durchgeführt werden.

Wir möchten Sie deshalb ganz persönlich bitten, sich dieser Eingabe entgegen zu stellen, gerade auch durch entsprechende unmissverständliche Aussagen in der Öffentlichkeit.

Mit freundlichen Grüßen

Beispiele für die Notwendigkeit von Tierversuchen in der biomedizinischen Forschung pdf