Sind die Kirchenmatriken einmal datenmäßig ausgewertet, machen sich viele Forscher auf die Suche nach zusätzlichen Quellen, einerseits um Lücken in den Matriken zu überbrücken, andrerseits um über den Matrikenbeginn hinaus in die Vergangenheit vorstoßen zu können. Erste Anlaufstelle dafür sind die alten herrschaftlichen Grundbücher. Aber schon die Auffindung der richtigen Bestände erweist sich oft als fast unüberwindliche Hürde. Denn in Niederösterreich waren fast alle Orte grundherrschaftlich zersplittert, d.h. mehrere Grundherrschaften waren begütert, Häuser und Grundstücke wurden auch gehandelt oder sind per Schenkung oder Erbschaft an andere Herrschaften übergegangen. Und selbst wenn man schließlich die richtigen Bände gefunden hat, stellen die alten Schriften und fehlende Namensindices oft weitere gewaltige Hürden dar.
Umso erfreulicher ist es für uns Genealogen, wenn Häuserchroniken erscheinen. Deren Autoren haben die enorme Leistung erbracht, alle Grund- und Gewährbücher eines Ortes quer durch die Jahrhunderte zu suchen, zu lesen und auszuwerten, d.h. man hat zu jedem einzelnen Haus eine komplette Aufstellung aller aufgezeichneten Untereigentümer (Bürger, Handwerker, Bauern, Häusler usw.) vom Beginn der Aufzeichnungen bis zur Gegenwart. Schon die Erstellung einer Häuserchronik für ein Dorf ist sehr viel Arbeit, bei einem großen Ort aber ist die Arbeit noch entsprechend gewaltiger.
Schön für uns, daß sich trotzdem immer wieder Fachleute dieser Arbeit widmen. Kürzlich haben die beiden Perchtoldsdorfer Historiker Dr. Gregor Gatscher-Riedl und Dr. Johannes Seidl Besitzgeschichten von beinahe siebzig historischen Weinhauer- und Bürgerhäusern in Perchtoldsdorf vorgelegt. Das Besondere daran ist, daß hier nicht nur Listen von Untereigentümern abgedruckt wurden, sondern jeweils auch der Anlaß (z.B. Erbe oder Kauf) genau zitiert wird, samt allen beteiligten Personen. Sind in vielen Häuserchroniken nur die Jahre angeführt, so findet man hier auch die exakten Tagesdaten, die exakten Quellenangaben samt heutigem Aufbewahrungsort und in der angeschlossenen Quellenedition sogar die kompletten Transliterationen der Verträge. Bei jedem Haus ist auch angeführt, wann es zu welcher Grundherrschaft gehört hat.
Praktisch gesehen bedeutet das für uns, daß man in vielen Einträgen/Dokumenten auch Angaben zur Abstammung (z.B. Eltern-Kinder) findet.
Hier ein Beispiel:
“1) Erstnennung Neustiftgasse 27: Gewährbuch I (NÖLA, Bestand “Archiv Wien” 619/1, fol. 105/51438 Dezember 27 Die Brüder Hensel und Mert Offner, Söhne des verstorbenen Thomas Ofner, erben das Haus von ihren Großeltern Hans und Dorothea Offner.”
Drei Generationen also – in einem einzigen Erbschafts-Eintrag, der dann auf Seite 508 auch in der originalen mittelhochdeutschen Fassung zitiert wird.
Abgerundet wird das Werk durch grundsätzliche Artikel zu Grundherrschaft und Hausbesitz in Perchtoldsdorf, den Aufbau und Inhalt der grundherrschaftlichen Grundbuchsführung am Beispiel der landesfürstlichen Grundbücher, Beschreibungen der neun beteiligten Grundherrschaften, Abkürzungsverzeichnis, Glossar, metrologische Begriffe, Quellen- und Literaturverzeichnis. Für uns Genealogen ganz besonders wichtig ist das 34seitige Namensregister, das ein rasche Suche ermöglicht.
Man kann sich nur weitere derartig sorgfältig erarbeitete Häuserchroniken wünschen, bzw. bei den Autoren herzlich bedanken.
Die Autoren sind:
– der Archivar der Marktgemeinde Perchtoldsdorf, Herr Mag. phil., Dr. phil., PhDr., Gregor GATSCHER-RIEDL MPA, der auch die “Heimatkundliche Beilage” zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Mödling betreut- der stv. Leiter des Archivs der Universität Wien, Herr Univ.-Doz., Mag. phil, Dr. phil., MAS Johannes SEIDL, korrespondierendes Mitglied der Geologischen Bundesanstalt und Lehrbeauftragter an den Universitäten Wien und Graz- die Mitarbeiterin am Archiv der Universität Wien, Frau Stephanie HUNGER- die Genealogin und Heimatforscherin Frau Angelika ENDE in Wittenförden bei Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland
Mit freundlichen Grüßen
Günter Ofner
www.familia-austria.at