Freiheit fällt uns nicht in den Schoß, wir müssen sie erarbeiten. Wenn aber manche Hirnforscher und gelegentlich auch Philosophen behaupten, der Mensch habe keinen freien Willen, sondern sei total determiniert, so ist dies unzutreffend. Leider wird diese Position, die Freiheit leugnet, sehr dogmatisch vertreten, in eher apodiktisch formulierten Statements und sogar einem Manifest. Es gibt aber auch Hirnforscher, die für Willensfreiheit eintreten, wie z.B. Hans Helmut Kornhuber und ich, die durch ihre Forschungen zu dem Ergebnis kamen, dass der Wille eine ganz entscheidende Rolle für uns Menschen spielt (Tiere, auch Menschenaffen, haben nur Vorstufen davon) und Freiheit in Form von (ausbaubaren!) Freiheitsgraden gegeben ist. Ausbaubar bedeutet, dass wir wie eingangs erwähnt für unsere Freiheit etwas tun müssen etwa im Sinne des römischen Philosophen Pindar: Werde, der du bist. Dies gilt für die Lebensplanung wie für die Therapie.
In der Neurologie ist nämlich die nicht-medikamentöse Therapie von großer Bedeutung. Es handelt sich um eine Übungsbehandlung – für die Wiederherstellung der Funktion nach Hirnläsionen braucht es heilgymnastische Übungsbehandlung und Ergotherapie. Und dafür braucht der Patient Willen, ja, oft ausgeprägte Willenskraft. Dasselbe gilt für die Psychotherapie, was immer noch viel zu wenig beachtet wird. Zwar können wir uns heute gar nicht mehr vorstellen, wie man therapeutische Konzepte ohne die besondere Betonung des Willens überhaupt aufstellen konnte. Zum Beispiel bei Freud. Bei ihm hatte der eigene Wille des Menschen kaum einen Stellenwert. Kornhuber und ich messen ihm dagegen wie auch Viktor Frankl eine entscheidende Bedeutung zu. Freud hatte eine jämmerlich schlechte Meinung vom Menschen, er vertrat ein eher minimalistisches Menschenbild. Für ihn war der Mensch nicht viel mehr als ein Triebwesen, noch dazu ein passives, ein Opfer, ein Spielball hin- und hergeworfen zwischen Milieu und Genetik. Freud gibt die “Schuld“ an der seelischen Störung der Mutter, dem Vater, der jeweiligen Geschwisterkonstellation, etc. welche zu frühkindlichen “Psychotraumatisierungen“ führen würden. Wie er auch meint, der Mensch werde schon in der Kindheit voll ausgeformt.
Kornhuber und ich wie auch Viktor Frankl lehren, dass der Mensch auch zu einem Großteil selbst “seines Glückes Schmied“ ist. Dass dies ein Sprichwort ist zeigt, wie alt dieses Wissen ist. Wir werden im Vortrag ein positiveres Menschenbild kennenlernen, ein Menschenbild, in welchem wir mit Freiheit ausgestattet sind – nicht absolut, das ist klar, sondern gradiert aber lebensrealistisch. Daraus folgt freies Handeln, daraus folgt aber auch Verantwortung für unser Handeln.
Vorträge der Steirischen Gesellschaft für Psychologie
14.12.2010 19:15 - 20:45
| HS 02.21 - Institut für Psychologie, Universitätsplatz 2/II, 8010 Graz
Kontakt: http://www.uni-graz.at/stgp