„Die mildern Wissenschaften, die Dicht- und Redekunst bewirkten und verschafften ein unverhoftes Licht“.


In der Maria Theresia und Franz Stephan gewidmeten Festschrift zur Eröffnung des neuen
Universitätsgebäudes 1756 ist ein unerwarteter Gratulant vertreten: Conrad Celtis übermittelt
ein „Poetisches Sendschreiben“, in dem er Parallelen zu seiner eigenen Zeit zieht, zur Einführung
und Förderung der studia humanitatis durch Maximilian I. Hinter der Maske des Erzhumanisten
verbirgt sich der (mutmaßliche) Herausgeber Franz Christoph von Scheyb (1704–
1777), Verfasser einer „Theresiade“ nach dem Vorbild des Literaturpapstes Johann Christoph
Gottsched und Editor der (von Celtis entdeckten) Tabula Peutingeriana; das auf Celtis’ Initiative
gegründete collegium poetarum dient ihm als Modell einer Bildungsreform, wie sie gegenwärtig
von Maria Theresia gegen die veraltete, praxisferne Neoscholastik der Jesuiten
durchgeführt werde. Bereits der für die Festschrift gewählte Titel „Glückwünsche der Musen
zur Wiederherstellung der Künste und Wissenschaften“ (Musae … congratulantur ob scientias,
bonasque artes … restitutas) ist in diesem Sinn Programm:
Auch wenn die Aufklärung besonderes Interesse am Humanismus um 1500 zeigte, so war
Scheyb doch keineswegs der erste, der das (von Celtis geschaffene) Image der einstigen Pionierinstitution
aktualisierend einsetzte. Der Vortrag will dieser Rezeption bzw. Instrumentalisierung
nachgehen: Das collegium poetarum entfaltete in der Geschichte der Universität Wien
eine weit über sein konkretes (viel diskutiertes) Wirken hinausgehende Nachwirkung, indem
es als Präzedenzfall zur Legitimation von Reformen und im Interesse unterschiedlichster Positionen
– von der Gesellschaft Jesu wie von ihren Gegnern – in Anspruch genommen werden
konnte.