Der Lyriker, Prosaautor, Übersetzer und Journalist Erich Fried (1921–1988) könnte
heuer mit Ilse Aichinger seinen 95. Geburtstag feiern. Sein Werk durchzieht mehr als
ein halbes Jahrhundert und spiegelt in besonderer Weise die kritische Verpflichtung
gegenüber seiner Zeit wider, die literarisch stets erneut um neue Ausdrucksformen
und thematische Schwerpunktsetzungen rang.
Einen plastischen Eindruck von Frieds Engagement und literarischer Vielfalt über
einen dezidiert einfachen, primär bildhaften Zugang zu geben, intendiert die
Ausstellung, die im Rahmen der diesjährigen Internationalen Erich Fried Tage
2016 gezeigt wird: Den Betrachter allein durch die Präsentation der Cover von Frieds
Erstveröffentlichungen auf eine politische und literarische Zeitreise einzuladen.
Schon der Beginn der Ausstellungstour wirft Fragen auf: Warum betitelt der 23-
jährige, aus Wien stammende Englandexilant 1944 seine erste, übrigens vom
Austrian P.E.N. geförderte Gedichtsammlung mit Deutschland, lässt dann nach
Kriegsende einen Band mit dem Titel Österreich folgen?
So haben Erich Frieds Veröffentlichungen bereits im Titel programmatische
Aussagekraft, selbst wenn sie – wie der in Westdeutschland erschienene
Erstlingsband – schmucklos, ja irritierend banal nur Gedichte (1958) lauten.
Fried provoziert und polarisiert mit Gedichtbüchern wie Höre, Israel! (1974) und So
kam ich unter die Deutschen (1977), auch und gerade weil sie spannungsgeladen
auf jüdisches Gebetsgut und Hölderlins Hyperion anspielen. Seine Titel der
legendären Wagenbach-Quarthefte implizieren Reminiszenzen an Georg Heym,
Rilke und erneut Hölderlin, während ein anderer Gedichtband illusionslos und
Vietnam und heißt, was Martin Walser als Motto des betroffenen Jahrzehnts
verortete.
Doch dem vermeintlich „durchgedrehten“ Politdichter (so einmal ein Urteil der FAZ)
steht im Wagenbachschen Programm auch der Verfasser der schmucklos, ja
irritierend banal genannten Liebesgedichte (1979) gegenüber.
Das vermeintlich letzte Bild der Ausstellung Aufforderung zur Unruhe zeigt, wie es
Fried nach und nach gelang, auch in das weit verbreitete und prinzipiell innovative
Verlegerunternehmen „dtv sonderreihe“ vorzudringen – natürlich als Autor, der sich
eines nicht nehmen ließ: Die Freiheit den Mund aufzumachen.
Kurator/in: Volker Kaukoreit (Österreichische Nationalbibliothek), Tanja Gausterer
(Literaturwissenschaftlerin)
Ausstellungsgestaltung: Gerhard Spring (Wien)
Die Freiheit den Mund aufzumachen – Erich Frieds Erstveröffentlichungen als Spiegel eines Jahrhunderts Mit einem Tribut für Ilse Aichinger
21.11.2016 - 23.02.2017
| Literaturhaus Wien
Kontakt: Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur