Die Bedeutung von Drittmitteln in der Forschungsförderung
Montag, 16. November 2015, 18.00-20.00 Uhr
Die von Christian Müller (Leiter APA Wissenschaft) moderierte Panel Diskussion fand in Anwesenheit und lebhafter Beteiligung der NAbg. Claudia Gamon (Wissenschaftssprecherin von NEOS), MMMag. Dr. Axel Kassegger (Bereichssprecher für Wirtschaft und Energie der FPÖ), sowie Sigi Maurer (Wissenschaftssprecherin der Grünen) statt. Der Diskussion sind eine Reihe pointierter Stellungnahmen vorausgegangen.
Müller, Tauber, Sturn, Veit, Van der Bellen, Aigner, Eiselsberg
Markus Müller (Rektor der MedUni Wien) hat in seiner Präsentation Entwicklung und Tendenzen unserer Forschungslandschaft aufgezeigt. Resume: Europa (und Österreich) – zu Beginn des 19. Jh. führend in den Wissenschaften – hinken mittlerweile im internationalen Wettbewerb bei R&D dramatisch hinter Asien und den USA hinterher. Der Anstieg von R&D am BIP, der seit 1995 kontinuierlich gewachsen ist, flacht in den letzten Jahren ab. Ein von der Bundesregierung angestrebtes Ziel einer Quote von 3.76% im Jahr 2020 erscheint aus heutiger Sicht wenig wahrscheinlich. Vor allem die Grundlagenforschung als Ausgangspunkt für Angewandte Forschung und experimenteller Entwicklung ist deutlich unterfinanziert. F&E wird überwiegend vom Unternehmenssektor, in etwas geringerem Ausmaß vom Bund, und noch immer erheblich vom Ausland (ausländischen Firmen) getragen. Der Beitrag gemeinnütziger Stiftungen ist verschwindend gering – österreichische Mäzene lassen sich an einer Hand abzählen. Der geringe Stellenwert der im internationalen Vergleich unterfinanzierten Grundlagenforschung stellt eine Gefahr für den Standort Österreich da.
Alexander Van der Bellen (Beauftragter der Stadt Wien für Universitäten & Forschung) widmete Mäzenatentum einen breiteren Raum und verweist auf Beiträge von Sponsoren an z.B. das IST und die WU in Wien. Die von Spendern bereitgestellten Mittel würden vom WWTF verdoppelt, sofern im Gemeinnützigkeitspaket, das zur Beschlussfassung ansteht, die geeigneten Voraussetzungen geschaffen werden. Die Stadt Wien weist etwa 100 Mio Euro für Forschung und Entwicklung aus, wovon aber ein erheblicher Teil (4% des Budgets des Wiener KAV, das sind rund 55 Mio €) pauschal den Wiener Spitälern zugerechnet wird. Hier nicht berücksichtigt sind Aufwendungen für F&E von Wien-nahen Stiftungen (darunter auch der WWTF), die in Summe etwa 40 Mio € pro Jahr ausmachen. Einen guten Überblick über die Forschungsförderung der Stadt bietet der Bericht von A. Van der Bellen auf der Website: http://www.universitaetsbeauftragter-wien.at/wp-content/uploads/2015/03/VdB_Report_2014_final.pdf
Veit, Van der Bellen, Aigner, Eiselsberg, dann Gamon, Maurer, Kassegger
Helmut Veith (Professor für Informatik an der TU Wien, wo er auch ein Doktoratskolleg leitet) sieht den FWF als entscheidenden Faktor an der Schnittstelle zwischen Universitäten und Spitzenforschung. Österreichs Universitäten haben nicht nur mit einer Überzahl an Studierenden (Massenuniversität) sondern zusätzlich auch mit einer chronischen und teilweise dramatischen Unterfinanzierung zu kämpfen. Als Beispiele führt er die ETH Zürich (Budget 757 Mio € bei 16.342 Studierenden: 46.338 €/St), die EPFL Lausanne (Budget 358 Mio € bei 7.762 Studierenden: 46.173 €/St), und die TU München (Budget 365 Mio € bei 26.302 Studierenden: 13.554 €/St). Im Vergleich dazu verfügt die TU Wien bei 25.171 Studierenden über ein Budget von 190 Mio € (7.564 €/Studierendem/r). Hier könnte der FWF einen Ausgleich zwischen kostengünstiger Massenausbildung und Spitzenforschung schaffen. Er sieht im FWF und seinen Instrumenten einen entscheidenden Hebel für strukturbildende Maßnahmen und streicht dabei Nationale Forschungsnetzwerke (NFN), Spezialforschungsbereiche, sowie Doktoratskollegs heraus. So sind aus dem NFN „Rigorous Systems Engineering“ (TU Graz, TU Wien, IST, Salzburg, Linz) 2 neue ProfessorInnen (aus USA und SWE), 5 neue Tenure Track ProfessorInnen, 3 ERC Grants, 1 Wittgenstein-Preis, und 4 WWTF Grants entstanden. Durch die nunmehr eingeschränkten Mittel fehlen dem FWF allerdings die Möglichkeiten, seiner Rolle als Wegbereiter für exzellente Forschung gerecht zu werden.
Birgit Tauber (Technische Expertin für Biotechnologie, FFG): Die Förderzusagen der FFG hatten im Jahr 2014 mit 620 Mio ein Allzeithoch. In diesem Betrag sind allerdings – neben Zuschüssen – auch vertraglich zugesagte Darlehen oder Haftungen enthalten. Ausgezahlt wurden 2014 aber immerhin noch 460 Mio €. 60% der Förderungen gehen an Unternehmungen, 13% (81 Mio) an Hochschulen, und 10% an Forschungseinrichtungen (so auch an die Akademie der Wissenschaften). Bei den Universitäten war die TU Graz mit rund 16.5 Mio € am erfolgreichsten, gefolgt von der TU Wien, Uni Linz, Uni Innsbruck, und der BOKU. Alle Fachhochschulen haben insgesamt rund 12.5 Mio € eingeworben. Anders als die Med Unis Graz und Innsbruck macht die Med Uni Wien praktisch keinen Gebrauch von FFG Förderprogrammen. Bei geförderten Einzelprojekten passte die Mehrzahl (53%) in den thematischen Schwerpunkt von Instituten, immerhin noch 37% führten zu neuen Forschungsinitiativen. Falls die Förderung mehrere Gruppen betraf war die Thematik in mehr als 2/3 der Fälle auch Gegenstand von bereits etablierten Forschungsschwerpunkten. FFG Projekte führten in 65% zu neuen Kontakten bzw. Kooperationen und in mehr als der Hälfte der Projekte zu Diplomarbeiten bzw. Dissertationen. Immerhin noch 17% des involvierten Personals bekamen anschließend einen Job im kooperierenden Unternehmen. Von der FFG geförderte Projekte förderten somit Kooperation und internationale Vernetzung, hatten eine Hebelwirkung auf private F&E Ausgaben bei gleichzeitiger Qualitätssicherung bei der Vergabe von Fördermitteln, und reduzierten für Investoren das Risiko bei Neuentwicklungen im Frühstadium. Für Universitäten von Interesse: Stiftungsprofessuren (für 5 Jahre) für Themenfelder, die von besonderer strategischer Relevanz für den Innovationsstandort Österreich sind. Die Finanzierung erfolgt zu mindestens 15% über die Universität und zu mindestens 15% von mitfinanzierenden Partnern. Im Jahr 2014 wurden von der FFG/BMVIT die ersten 3 Stiftungsprofessuren in den Bereichen „Advanced Manufacturing“, „Hochleistungswerkstoffe“ und „Produktionsforschung/Industrie 4.0“ vergeben.
Dorothea Sturn (kaufmännische Vizepräsidentin des FWF) skizziert die prekäre Finanzsituation des FWF und die daraus resultierenden Konsequenzen. Bei einem Budget (Bewilligungssumme) von rund 210 Mio € kam der FWF im Jahr 2014 auf eine Bewilligungsquote von rund 26%. Da ab 2016 lediglich 183 Mio € zur Verfügung stehen wird die Bewilligungsquote unter der Annahme einer minimalen Inflation und (konservativ geschätzt) einer Zunahme der Anträge von 8% pro Jahr auf inakzeptable 17% im Jahr 2018 abfallen. Hier ist noch nicht berücksichtigt, dass bereits derzeit förderwürdige (exzellente) Projekt im Ausmaß von 70 Mio € nicht finanziert werden können, und dass Inflationsraten von Projektkosten die Berechnung des üblichen Warenkorbs weit übersteigen. Mit seiner Förderkultur garantiert der FWF für ein Höchstmaß an Qualität der geförderten Projekte, er eröffnet Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs, und er ermöglicht die Finanzierung von exzellenter unabhängiger Forschung. Mit je rund 25% sind der FWF und Unternehmen die wichtigsten Quellen von Drittmitteln für Österreichs Universitäten. Drittmittel in erheblichem Ausmaß kommen auch von der EU (14%) und der FFG (9%). Einen besonders hohen Beitrag von Drittmitteln zur Finanzierung der Gesamtkosten lukriert die MU Leoben (rund 33%), gefolgt von der TU Graz, der BOKU, der TU Wien, und der Uni Linz (rund 15%). Bei den genannten Universitäten ist naturgemäß das Engagement von Unternehmen am größten. Dies mag auch ein potentielles Problem darstellen, wenn Unternehmen damit einen unerwünschten Einfluss auf die wissenschaftliche Ausrichtung der geförderten Universität nehmen.
Als potentielle Geldgeber wurden in letzter Zeit wiederholt Stiftungen genannt. Eine seit Jahren erfolgreiche Initiative ist die von Dietrich Mateschitz begründete Stiftung WingsForLife, die speziell die Förderung von Projekten, die die Heilung von Querschnittslähmung zum Ziel haben, errichtet wurde.
Ludwig Aigner als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Stiftung hat die Ziele der Stiftung präsentiert. Als deren Schwerpunkt definiert er die Phase I im Zulassungprozess von Heilmitteln. Die Grundlagenforschung fungiert die von öffentlichen Geldern finanzierte Grundlagenforschung, während die Phase III bis zur Zulassung eine Domäne der Pharmazeutischen Industrie darstellt. Die Stiftung WingsForLife bemüht sich demnach, die Lücke zwischen Grundlagenforschung und Endprodukt zu schließen. Beginnend mit dem Jahr 2006 hat die Stiftung bisher rund 3.500 Projekte mit einer Gesamtsumme von 3.5 Mio € gefördert. Wenngleich Dietrich Mateschitz bei der Gründung der Stiftung Geburtshelfer war finanziert sich die Stiftung mittlerweile ausschließlich aus zahlreichen Fundraising Aktivitäten. Unabhängig von der Stiftung hat Dietrich Mateschitz die Paracelsus Universität Salzburg und hier insbesondere das Querschnitzzentrum unterstützt.
An das kürzlich in Begutachtung gegangene „Gemeinnützigkeitspaket“ haben auch Forschungseinrichtungen große Hoffnung geknüpft. In seinem Beitrag dämpft Dr. Maximilian Eiselsberg (Verband Österreichischer Privatstiftungen, VPÖ) allerdings solche Erwartungen. Er sieht in den zur Begutachtung ausgesendeten Gesetzesvorlagen eine Reihe von Problemen. So wird Vorblatt von „Zuwendungen an gemeinnützige Organisationen“ und nicht von einer Erhöhung der Zuwendungen für gemeinnützige Projekte und gemeinnützige Ziele gesprochen. Das Problem dabei: Gemeinnützige Organisationen werden (vorab) vom Gesetzgeber definiert (Universitäten und der FWF gehören dazu). Im Gesetzesentwurf (Abgabenrecht) wäre weiters eine Evaluierung im Jahr 2020 vorgesehen. Das kann zufolge haben, dass eine bereits eingerichtete Stiftung (die nicht einfach wieder aufgelöst werden kann) steuerrechtlich anders als zur Zeit der Begründung bewertet wird – abschreckend für Mäzene, die zu einer gemeinnützigen Stiftung bereit wären. Großspender werden offensichtlich schon primär nicht in Erwägung gezogen, da der Gesamtbetrag von abzugsfähigen Zuwendungen für einen fünfjährigen Zuwendungszeitraum mit 500 000 Euro begrenzt wird. Um Missbrauch vorzubeugen sieht der Gesetzesentwurf vor, dass der Stifter Steuerbegünstigungen verliert, falls der Empfänger nach 3 Jahren nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Da Stifter darauf vielfach keinen Einfluss auf die Empfänger haben werden sie sich solche Zuwendungen sehr überlegen. Zusammenfassend führt Dr. Eiselsberg aus, dass er auf Basis des vorliegenden Entwurfs seinen Klienten nicht raten würde, Stiftungen zu begründen. Anzumerken ist, dass am 24. November 2015 im Ministerrat eine Gesetzesvorlage verabschiedet wurde, und dass diese Vorlage aufgrund der zahlreichen Stellungnahmen (auch des VÖP) möglicherweise modifiziert wurde bzw. wird, bevor sie dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorgelegt wird.
Sigismund Huck
Berichte zu der Veranstaltung in den Medien:
http://science.orf.at/stories/1764645/ http://derstandard.at/2000025876909/Experten-orten-Unterfinanzierung-und-Privatgeld-Mangel http://www.studium.at/416422-experten-zur-grundlagenforschung-oesterreich-starke-unterfinanzierung-und-mangel-privatgeld http://www.science.apa.at/rubrik/politik_und_wirtschaft/Experten_orten_Unterfinanzierung_und_Privatgeld-Mangel_in_Forschung/SCI_20151117_SCI40111351026726308 http://diepresse.com/home/science/4871193/Notruf-wegen-Ruckgangs-der-Drittmittel